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Warum die Schweiz die Entwicklungshilfe für die Mongolei beendet

Oct 28, 2023Oct 28, 2023

Nachdem die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) zwei Jahrzehnte lang nachhaltige Tierhaltung und Bildung gefördert hat, wird sie ihr Programm in der Mongolei Ende 2024 einstellen. Dies steht im Einklang mit der neuen Ausrichtung ihrer Aussenpolitik.

Die DEZA eröffnete 2004 ihr Kooperationsbüro in der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaatar, drei Jahre nachdem sie ihr Hilfsprogramm in dem asiatischen Binnenstaat gestartet hatte. Ziel der Schweizer Hilfe war die Förderung einer nachhaltigen Tierhaltung und der Ernährungssicherheit. Die nomadische Viehwirtschaft ist in der Mongolei von großer kultureller, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Bedeutung. Rund 110 Millionen Hektar oder 70 % des Landes, das fast 38 Mal größer ist als die Schweiz, sind mit Grasland bedeckt – und intaktes Grasland ist die wichtigste Lebensgrundlage der Nomaden. In der Mongolei wird es „Grünes Gold“ genannt. Die starke Nutzung der Weiden und die Auswirkungen des Klimawandels stellen für die Mongolei eine große Herausforderung dar. Die Zahl der Nutztiere, insbesondere der Ziegen, hat in den letzten Jahrzehnten erheblich zugenommen, was unter anderem auf die steigende Nachfrage nach Kaschmirwolle zurückzuführen ist. Allerdings verringert die starke Nutzung und häufige Übernutzung des Landes die Artenvielfalt und führt zur Wüstenbildung des Landes.

Gemeinsam mit den Nomaden, mongolischen Behörden und anderen Partnern hat die DEZA 2004 das Projekt „Grünes Gold und Tiergesundheit“ ins Leben gerufen. Basierend auf Vereinbarungen mit den lokalen Behörden haben sich die Nomaden verpflichtet, das Land gemeinschaftlich und nachhaltig zu bewirtschaften. Anhand von Indikatoren wie Anzahl und Art der Pflanzen wurde festgelegt, welche Zonen für die Beweidung freigegeben und welche geschützt werden sollten. Bisher haben sich mehr als 92.000 Nomadenfamilien vertraglich zu einer nachhaltigen Weidelandbewirtschaftung verpflichtet, die inzwischen die Hälfte des gesamten Weidelandes umfasst. „Die Schweiz hat innerhalb von 15 Jahren maßgeblich dazu beigetragen, mehr als 20 Millionen Hektar brachliegendes Weideland zu sanieren. Das ist fast fünfmal so groß wie die Schweiz“, sagt Stefanie Burri, Leiterin des DEZA-Kooperationsbüros und Schweizer Konsulin in der Mongolei. Gleichzeitig leistete die Schweiz auch einen Beitrag zur Verringerung der Wüstenbildung. Erfolgreich erwies sich das nun abgeschlossene Projekt auch bei der Einführung eines digitalen Systems zur Verfolgung tierischer Produkte. Ziel ist es, Informationen zu Hygiene und Ernährungssicherheit bereitzustellen. Das Projekt half außerdem bei der Gründung von mehr als 76 Nomadenkooperativen im ganzen Land, die Produkte unter ihrem eigenen Label „Responsible Nomads“ herstellen und verkaufen. Burri glaubt an den Erfolg dieses Konzepts. Unter dieser Marke produziert beispielsweise die international bekannte mongolische Rockband „The Hu“ ihre Lederwaren.

Auch das Label „Responsible Nomad“ setzt auf Innovation. Yaks werden in der Mongolei traditionell als Lasttiere verwendet, was bedeutet, dass ihre Haare und ihr Leder als minderwertig gelten. Das Projekt hat jedoch einen speziellen Kammtyp entwickelt, um hochwertige Yakwolle zu gewinnen, die für Schals, Pullover oder Decken verwendet werden kann. Und ein neues Start-up in der Hauptstadt Ulaanbaatar stellt handgefertigte Fußbälle aus Yakleder her. Im Bereich Ernährungssicherung unterstützte die DEZA ein staatliches Forschungsprojekt, das eine klimaresistente Kartoffelsorte entwickelte. Dank dieses Projekts ist die Mongolei nun in der Lage, ihren Kartoffelbedarf selbst zu decken und muss diese nicht aus China importieren. Auch die Qualität des Saatguts wurde verbessert, so dass jetzt mehr Karotten, Kohl und Rote Bete angepflanzt werden.

Das Budget der DEZA zwischen 2022 und 2024 beläuft sich auf 8,2 Millionen Franken und liegt damit deutlich unter den 46,4 Millionen Franken für die Periode zwischen 2018 und 2021. Die Mittel werden für Projekte in den Bereichen gute Regierungsführung, Klimawandel und Umwelt sowie inklusive Wirtschaftsentwicklung verwendet . Die DEZA arbeitete auch an der Dezentralisierung und demokratischen Reformen in der Mongolei. Beispielsweise trug es dazu bei, ein neues Gesetz durchzusetzen, das die Finanzkraft der Kommunalverwaltungen stärkte, indem ihnen 40 % der [nationalen] Steuereinnahmen zugewiesen wurden. Darüber hinaus können Mongolen nun Anträge und Resolutionen einbringen, die in den Gemeinderäten besprochen werden. Seit 2017 unterstützt die Schweiz das Sekretariat des mongolischen Parlaments (Staatsgroßes Hural) durch Ausbildung und Förderung der parlamentarischen Kontrolle. Das Sekretariat bietet Beratung in allen Phasen des Gesetzgebungsprozesses. „Die Zusammenarbeit zwischen dem Sekretariat des Großen Hural und der DEZA hat wesentlich zur Förderung der parlamentarischen Demokratie in der Mongolei beigetragen“, sagt Luvsandorj Ulziisaikhan, Generalsekretär des mongolischen Parlaments. Er weist darauf hin, dass die Zahl der Bürger, die sich am demokratischen Prozess beteiligen, gestiegen ist und sich die lokale Regierungsführung verbessert hat. Die DEZA initiierte einen Austausch mit regelmässigen Besuchen mongolischer Parlamentarier in der Schweiz und umgekehrt. Die Besuche sollen über das Jahr 2024 hinaus fortgesetzt werden. Die Schweiz unterstützte auch die Berufsausbildung und die Gründung von Start-up-Unternehmen. Seit Jahren arbeitet es mit der Zorig Foundation (ZF) zusammen, einer mongolischen Nichtregierungsorganisation (NGO), die Stipendien für benachteiligte Studierende vergibt. Die DEZA finanzierte fast die Hälfte der 2900 Stipendien, 60 % davon gingen an Frauen. „Die hohe Beschäftigungsquote von Wissenschaftlern ist ein klares Zeichen dafür, dass Investitionen in talentierte junge Menschen, die sich keinen Universitätsabschluss leisten können, nachhaltige [positive] Auswirkungen auf ihre Karriere und ihren Lebensunterhalt haben“, sagt der Direktor der Stiftung, Tsolmon Bayar.

Die Strategie zur internationalen Zusammenarbeit 2021–2024 zielt darauf ab, sich stärker auf fragile Kontexte zu konzentrieren. Aus diesem Grund hat die DEZA beschlossen, ihre bilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit 11 der 46 Länder per Ende 2024 zu beenden. Die Mongolei ist eines dieser Länder. Kritiker in der Schweiz sehen in diesem Schritt einen Paradigmenwechsel von der humanitären Arbeit hin zu einer Form der Entwicklungszusammenarbeit, die durch die Schweizer Aussenpolitik motiviert ist, Migrationsströme zu beeinflussen. Die Humanressourcen in der Mongolei werden schrittweise reduziert. Die Zahl der DEZA-Mitarbeitenden in der Mongolei ist von 28 im Jahr 2020 auf aktuell 12 gesunken. Die Organisation hat ihre Projekte an die nationale und lokale Regierung sowie an Forschungsinstitute und Universitäten im Land übergeben. Alle Partner der Projekte waren bereits in der Vergangenheit an den Projekten beteiligt und haben entweder einen finanziellen Beitrag geleistet oder Infrastruktur bereitgestellt, was sich ausgezahlt hat: Die Projekte sollen auch nach Abschluss der DEZA-Programme in der Mongolei weitergeführt werden. „Es ist wichtig, Gesetze zu verabschieden, die den lokalen Behörden Budgets für solche Projekte zur Verfügung stellen“, sagt Burri.

Die Schweiz wird weiterhin in der Mongolei vertreten sein, wenn auch indirekter. Es wird mit Institutionen wie der Asiatischen Entwicklungsbank, der Weltbank und UN-Organisationen wie dem UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) zusammenarbeiten. „Die größte Herausforderung für die Mongolei ist der Klimawandel“, sagt Burri. Die Wüstenbildung des Landes wird zunehmend sichtbar. Die Hälfte der 3,5 Millionen Menschen lebt mittlerweile in der Hauptstadt Ulaanbaatar; Die Jugendarbeitslosigkeit ist mit 19 % hoch; und die Regierung ist hoch verschuldet.“

Die Mongolei ist immer noch stark auf den Export von Rohstoffen angewiesen. Der Großteil der Einnahmen des Landes wird durch den Abbau von Kohle, Kupfer, Uran, Gold und künftig auch Seltenen Erden erzielt. Allein in die Schweiz exportiert die Mongolei pro Jahr Gold im Wert von 1 Milliarde Franken. Die Regierung fördert derzeit die Verarbeitung von Produkten. Die Mongolei will ihre Solar- und Windenergieinfrastruktur ausbauen mit dem Ziel, bis 2050 Kohle als Energiequelle zu ersetzen.

Nächstes Jahr feiern die Schweiz und die Mongolei den 60. Jahrestag ihrer diplomatischen Beziehungen. Burri meint, dass diese lange Partnerschaft Vertrauen geschaffen hat und die Chance für neue gemeinsame Aktivitäten bietet. „Während eine Etappe zu Ende geht, öffnen sich neue Türen.“ Ein Beispiel dafür ist die Ausstellung des Rietbergmuseums in Zürich. Gemeinsam mit dem mongolischen Kulturministerium will das Museum im Jahr 2025 eine Ausstellung zur Urbanisierung der Mongolei veranstalten. Und das Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP) will in Ulaanbaatar ein regionales Zentrum für die Ausbildung von Verteidigungsattachés etablieren. Übersetzt von Billi Bierling

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